"Bits and Machines" im Coreum

Kongress zeigt Wege ins digitale Bauzeitalter auf

Stockstadt. - Die Digitalisierung im Bauwesen wird seit Jahren intensiv diskutiert. Und doch scheinen noch immer viele Fragen offen: Was steckt eigentlich wirklich hinter Begriffen wie BIM, KI oder IoT? Was bringt es mir, mich intern oder mit Partnern aus der Branche zu vernetzen? Wie macht man aus Datenmüll Datengold? Und wie genau setze ich all das in der Praxis um? Diese und weitere Fragen standen im Zentrum des zweitägigen Fachkongresses "Bits and Machines", der kürzlich im Coreum in Stockstadt stattfand.

Die Premiere der "Bits and Machines", kurz BAM, kann als gelungen gewertet werden. Mit mehr als 200 Teilnehmern hatte die Auftaktveranstaltung für das neue Tagungsformat im Coreum die Erwartungen der Organisatoren übertroffen. Dass das Angebot für derartige Fachkongresse in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist, zeigt den hohen Informationsbedarf, den die Branche zum Thema Digitalisierung hat. Auch, weil die oft als technologisch rückständig gewertete Bauwirtschaft unter zunehmenden Druck steht, ihre Arbeitsabläufe produktiver und effizienter zu gestalten. Die BAM lieferte hierfür sowohl in Theorie als auch Praxis wertvollen Input.

In 21 Vorträgen wurden verschiedene Ansätze für den Einsatz digitaler Technologien am Bau vorgestellt. Den Anfang machte Maximilian Schmidt, Mitglied der Geschäftsführung des Coreums und Moderator der BAM, mit einer Bestandsaufnahme. Den Status quo verortete er zwischen "Goldgräberstimmung" und der Sorge vor einem "digitalen Tsunami", der die Branche aktuell überrollt. Die Wahrheit liege zwischen diesen beiden Extremen, erklärte er. Wichtig sei, sich zeitnah mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen und die Digitalisierung als Gemeinschaftsprojekt zu begreifen. Im Mittelpunkt der BAM stand deshalb das Thema Vernetzung – auf technologischer Ebene und zwischen den Akteuren der Branche.

Grundlagen schaffen

Ein Schwerpunkt war das Thema Building Information Modeling (BIM). Die Grundlagen hierfür lieferte Florian Renz, Geschäftsführer der BIMzert GmbH. Er zeigte nicht nur die Vorteile des digitalen Planen und Bauens auf, sondern räumte auch mit einigen Vorurteilen gegenüber BIM auf – beispielsweise dem, dass sich das Verfahren nur für große Betriebe rentiere. Gerade kleinere Unternehmen würden, unter anderem aufgrund der Visualisierungsmöglichkeiten, bei der Projektvergabe von BIM profitieren. Dennoch dürfe man nicht erwarten, dass BIM alle Probleme sofort löse. Vor allem in der Einführungsphase gehe die Produktivität in vielen Fällen zunächst zurück.

Wie BIM in der Praxis aussehen und erfolgreich eingesetzt werden kann, zeigten Arian Aust und Marwin Voss von der Rhomberg Sersa Rail Group. Das Gleisbauunternehmen nutzt BIM für die Bau- und die Bauablaufplanung sowie für das Projektmanagement. Dabei konnte das Unternehmen nicht nur die Produktivität der Bauabläufe steigern, sondern auch neuartige Einbaumethoden umsetzen. Das Bauunternehmen Karl Gemünden setzt ebenfalls auf BIM zur Projektsteuerung. Geschäftsführer Tim Gemünden beschrieb, wie das digitale Planen und Bauen die Art der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gewerken grundlegend verändert hat. Nach wie vor stelle das unterschiedliche Niveau der Projektpartner bei der BIM-Nutzung jedoch eine Hürde dar.

Ohne Daten kann es kein Modell geben. Vor allem beim Bauen im Bestand müssen diese erst aufwendig erfasst werden. Wie Anwender auch diesen Prozess effizient und einfach gestalten können, erklärte Oliver Dandl von Leica Geosystems. Er präsentierte den aktuellen Stand neuartiger Kamera- und Lasermesssysteme, mit denen sich die objektive Realität auf Knopfdruck erfassen und in ein 3D-Modell umwandeln lässt.

Datenmüll zu Datengold

Daten erfassen ist das Eine. Das Andere ist, sie nutzbringend zu verwerten, erklärte Laura Tönnies, Gründerin des Start-Up-Unternehmens Corrux. Bewusst oder unbewusst würden Bauunternehmen schon heute riesige Mengen an Daten produzieren. Corrux greift diese Daten auf und überführt sie in übersichtliche Auswertungen (sogenannte Insight-Reports), anhand derer der Kunde Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung erarbeiten kann.

Noch einen Schritt weiter geht das Forschungsprojekt "Smart Design and Construction, kurz SDaC, des Karlsruher Instituts für Technik (KIT). Dort wird derzeit eine Plattform entwickelt, die, ähnlich wie bei Corrux, eine Art Blackbox darstellt, die aus Datenmüll wertvolles Datengold gewinnen soll. Die Karlsruher Forscher wollen dabei Künstliche Intelligenz nutzbar machen, ohne dass der Anwender diese zwangsläufig verstehen muss.

Thomas Schuh von NetwakeVision zeigte, dass auch der öffentliche Sektor mitunter tief in der Digitalisierung steckt. Am Beispiel des Straßenbauamts Bodenseekreis beschrieb er, wie ein öffentliches Amt in kürzester Zeit digital umgekrempelt wurde, um Abläufe effizienter zu gestalten. Er verwies dabei auch auf den Fachkräftemangel, der in diesem Prozess ein maßgeblicher Antrieb gewesen sei.

Auch die klassischen Vertriebswege weisen in der Bauwirtschaft zunehmend digitale Abzweigungen auf. Ein Beispiel hierfür ist das Start-up-Unternehmen Schüttflix, dass in Zusammenarbeit mit dem Abbruchunternehmen Hagedorn entstanden ist. Dahinter steht ein Onlinehandel für Schüttgüter, der laut CEO Christian Hülsewig ähnlich funktioniert wie Uber. Schüttflix vernetzt Kunden, Transportdienstleister und Materiallieferanten. Jedes Schüttgut könne innerhalb von Nordrhein-Westfalen schon heute in vier Stunden geliefert werden, verspricht Schüttflix.

Theorie und Praxis

Natürlich durfte auch die Maschinentechnik im Coreum nicht zu kurz kommen. Eigens aus Finnland angereist war Lasse Manola von Movax Oy. Er stellte das Movax Informationsmanagement, kurz MIMS, für die Anbaugeräte des Herstellers vor. Ausgestattet mit intelligenter Sensortechnik erfassen die Bohr- und Rammgeräte von Movax Oy heute zahlreiche Daten, die sich für die Dokumentation des Bauablaufs nutzen lassen. Am Beispiel eines Straßenbauprojekts in Australien verdeutlichte Manola, welche Einsparpotenziale diese Technologie eröffnet. Statt für die dort eingebrachten 300 Bohrpfähle, wie ursprünglich vom Auftraggeber gefordert, einen Inspekteur zu beauftragen, wurden die Bohrergebnisse über die Maschinentechnik dokumentiert. Das sparte in diesem Fall laut Manola 25 000 Euro.

Intelligente Maschinentechnik sei das Eine, erklärte Andreas Wilde von Vemcon. Wirkliche Effizienzsteigerungen ließen sich aber nur dann erreichen, wenn Maschine, Anbaugerät und Büro nahtlos miteinander kommunizieren könnten. Aktuell gebe es eine Vielzahl an Insellösungen. Aufgrund fehlender Schnittstellen sei dabei oft keine herstellerübergreifende Vernetzung möglich. Mit einer modularen, offenen Plattform will Vemcon das ändern. Das System baut auf bestehender Maschinentechnik auf und integriert diese in der eigenen Plattform. Über nur ein Terminal in der Maschine sollen sich so sämtliche Anbaugeräte und Maschinensteuerungs-Funktionen bedienen lassen, während die Maschinendaten ohne Reibungsverluste zur Dokumentation und Auswertung ins Büro gesendet werden.

Wie das in der Praxis funktioniert, konnten die Teilnehmer der BAM im Anschluss an die Vorträge während einer Live-Demonstration erleben. Hier spielte der Veranstaltungsort seine Stärken aus. Im sogenannten "Sandkasten", einer Demonstrationsfläche im Inneren des Forums, wurde der Prototyp einer komplett vernetzten Maschine auf Basis eines Zaxis 210 LC präsentiert. Diese ist das Ergebnis eines Arbeitskreises, der aus Anwendern und verschiedenen Herstellern wie Kiesel, Hitachi, UAM, Kinshofer und Oilquick besteht. Die Plattform von Vemcon diente dabei als Systemintegrator, der die unterschiedlichen Anbaugeräte mit der Maschine, dem Bediener und dem Büro vernetzt. Gezeigt wurde unter anderem, wie der Baggerfahrer per Knopfdruck verschiedene Anbaugeräte automatisiert an- und abkoppeln kann, während die Daten, welche die Maschine während der Arbeit produziert, jederzeit auf verschiedenen Endgeräten abgerufen und dokumentiert werden können. In der Ausstellungshalle direkt nebenan konnten sich die Besucher der BAM über moderne Sicherheitstechnologien für Baumaschinen informieren. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen ifm syntron präsentierten die Veranstalter einen Radlader des Typs ZW150 PL von Hitachi, der mit verschiedenen Sensor- und Kamerasystemen ausgestattet wurde. Diese dienen der flexiblen Personenerkennung im Umfeld der Maschine und bringen das Fahrzeug bei drohender Unfallgefahr zum Stillstand.

Abgerundet wurde der inhaltliche Teil der Veranstaltung durch zwei Keynotes, die den Blick etwas weiter über den Tellerrand schweifen ließen. Trendforscher Sebastian Rassmann entführte die Teilnehmer der BAM in den Alltag eines Menschen im Jahr 2030 und zeigte, wie sich unser Leben in den kommenden zehn Jahren durch neue Technologien verändern wird. Bestsellerautor Dr. Mario Herger gab in einer weiteren Keynote Einblicke in den aktuellen Stand des autonomen Fahrens. Seine provokante These: "Der letzte Baggerfahrer ist bereits geboren".

Mit der ersten Ausgabe der BAM zeigen sich die Veranstalter sehr zufrieden. Eine Folgeveranstaltung ist für den 26. und 27. Januar 2021 geplant. Dann will das Team hinter der BAM und dem Coreum sich noch stärker auf den Anwender und für ihn relevante Praxisbeispiele konzentrieren.

 

Dieser Artikel erschien in der Allgemeine Bauzeitung vom 03.03.2020

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